„Personal dringend gesucht – soziale Einrichtungen vor dem Kollaps“

Pressekonferenz zum Vorsitzwechsel in der Freien Wohlfahrtspflege Bayern

München, 3. Februar 2022. „Von der Altenpflege über die Eingliederungshilfe und die niedrigschwelligen Beratungsangebote bis zur Kinder- und Jugendhilfe – dass soziale Einrichtungen vor dem Kollaps stehen, weil sich der Fachkräftemangel immer mehr zuspitzt, ist keine Übertreibung, sondern eine Tatsachenbeschreibung“, haben Nicole Schley und Stefan Wolfshörndl, die Landesvorsitzenden der bayerischen AWO, heute in einer digitalen Pressekonferenz erklärt. Anlass war die turnusgemäße Übernahme des Vorsitzes innerhalb der Freien Wohlfahrtspflege Bayern für das Jahr 2022 von Margit Berndl, Vorstand Verbands- und Sozialpolitik beim Paritätischen Wohlfahrtsverband in Bayern und neue stellvertretende Vorsitzende der Freien Wohlfahrtspflege Bayern.

„In der Altenpflege ist die Situation so dramatisch, dass in manchen Häusern Betten leer stehen. Nicht weil keine Nachfrage da wäre. Im Gegenteil. Wir finden aber nicht mehr genug Personal, das sich um die Pflegebedürftigen kümmern könnte. Das ist nicht das Ergebnis von Corona, sondern die Lage hat sich in den letzten zehn Jahren enorm zugespitzt. Früher haben wir um Bewohner*innen geworben, jetzt um Mitarbeiter*innen“, berichtet der neue Co-Vorsitzende der Freien Wohlfahrtspflege Bayern, Stefan Wolfshörndl.

Co-Vorsitzende Nicole Schley erklärt: „Corona verschärft die Situation in den Kitas nochmal dramatisch. Aus unseren Einrichtungen wird uns berichtet, dass die Mitarbeiter*innen am Rande ihrer Kräfte sind. Es besteht die Gefahr, dass über kurz oder lang Kita-Personal abwandert, wenn die Lage weiterhin so fordernd und angespannt bleibt. Dabei fehlen ohnehin bis 2030 mindestens 37.000 Fachkräfte in den bayerischen Kitas.“

Omikron und die nicht zu Ende gedachte einrichtungsbezogene Impfpflicht verschärfe die ohnehin vorhandene Personalnot, ergänzt Margit Berndl. „Das verunsichert und belastet diejenigen, die ohnehin die größte Last der Pandemie tragen. Um die Versorgung von Menschen mit Behinderung und die Pflege älterer Menschen sicherstellen zu können, brauchen wir pragmatische Lösungen und politischen Rückhalt!“, fordert Berndl.

Nach zwei Jahren Pandemie sei es mehr als überfällig, dass die Aufwertung von Sorgeberufen ganz oben auf die politische Agenda kommt. Und zwar nicht nur der Pflegeberufe, sondern aller Sorgeberufe - also auch Erzieher*innenberufe, Sozialpädagog*innen oder Lehrkräfte. „Denn die Pandemie hat deutlich gezeigt: Ohne Sorgearbeit kann unsere Wirtschaft, kann unsere Gesellschaft nicht existieren. Ohne die Menschen, die Kinder betreuen und unterrichten. Ohne diejenigen, die alte und kranke Menschen pflegen und versorgen,“ so Margit Berndl abschließend.

 

In der Freien Wohlfahrtspflege Bayern sind das Bayerische Rotes Kreuz, die Arbeiterwohlfahrt, der Landes-Caritasverband Bayern, die Diakonie Bayern, der Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern und der Paritätische Wohlfahrtsverband Bayern organisiert. Gemeinsam erbringen die Verbände rund 75 Prozent aller sozialen Dienstleistungen in Bayern. Rund sechs Prozent aller Beschäftigten im Freistaat, davon allein rund 95.000 in Pflegeheimen und weitere rd. 86.000 in Kindertagesstätten, arbeiten in der Sozialwirtschaft. Als Verband unterstützt die Freie Wohlfahrtspflege Bayern ihre Mitglieder durch Koordination und Absprachen bei der Realisierung von Zielen, mit denen sie ihren Beitrag dazu leisten, Bayern sozial zu gestalten.