Pflegekräftemangel führt zu leerstehenden Heimplätzen

Freie Wohlfahrtspflege Bayern fordert mehr Spielraum bei der Fachkraftquote

München, 26. November 2019. Anlässlich der heutigen Anhörung im Ausschuss für Gesundheit und Pflege im Bayerischen Landtag weist die Freie Wohlfahrtspflege Bayern auf den bereits existierenden Pflegenotstand in Bayern hin. „Der Mangel an Pflegefachkräften ist in allen bayerischen Regionen und Verbänden angekommen. Freiwerdende und neu geschaffene Plätze in stationären Einrichtungen können nicht belegt werden und Angehörige müssen vermehrt selbst die Pflege ihrer Familienmitglieder übernehmen, weil das Personal fehlt“, zeigt sich Brigitte Meyer, Vorsitzende der Freien Wohlfahrtspflege Bayern, alarmiert.

Die Ursachen für den Pflegenotstand sind vielfältig: „Grundsätzlich gehen mehr Pflegefachkräfte in den Ruhestand als junge Fachkräfte nachkommen“, erläutert Meyer. „Hinzu kommt, dass die Lücke auch nicht durch ausländische Fachkräfte gedeckt werden kann, da die Bewertung der Anerkennung ihrer Fachqualifikationen sogar zwischen den Regierungsbezirken unterschiedlich ausfällt.“

In Bezug auf die stationäre Altenpflege müsse man davon ausgehen, so Meyer weiter, dass vermehrt Plätze leer stehen werden, da die Einrichtungen die gesetzlich vorgeschriebene Fachkraftquote nicht erreichten und deshalb unter Umständen sogar die Schließung ganzer Wohnbereiche drohte. „Der Gesetzgeber ist dringend gefordert, in dieser Akutsituation einen Spielraum bei der 50prozentigen Fachkraftquote zu gewährleisten“, fordert die Vorsitzende der Freien Wohlfahrtspflege Bayern. Um die stationäre Pflege dauerhaft zu sichern, wäre zusätzlich eine strukturelle Reform der Pflegeversicherung notwendig, so Meyer weiter, „gerade der stationäre Bereich ist unterfinanziert. Daher bedarf es einer regelmäßigen Dynamisierung der Pflegeversicherung, um die Höhe der Leistungen den aktuellen Personal- und Sachkosten anpassen zu können. Dies kann nicht nur aus Beiträgen finanziert werden, auch Steuergelder sind notwendig.“

Allein durch den bestehenden Fachkräftemangel kommt es aktuell schon zu Versorgungsengpässen. Angehörige müssen daher ihre Pflegebedürftigen teilweise oder ganz versorgen. „Hier kündigt sich ein gesamtgesellschaftlicher Konflikt an“, warnt Meyer, „denn die Anforderungen an Berufstätige erfordern ein hohes Maß an persönlicher Flexibilität und Mobilität, die sich aber schwerlich mit der Anforderung der Pflege von Angehörigen vereinbaren lässt.“ Gerade im ländlichen Raum bringe das enorme Herausforderungen mit sich.

Die vielgelobte generalistische Ausbildung in der Pflege sieht Meyer ambivalent: „Es ist noch nicht absehbar, ob sich mit der neuen Ausbildungsstruktur mehr junge Menschen für Pflegeberufe entscheiden. Eine gute Ausbildung kann nur dann gelingen, wenn regionale Koordinatoren der Praktikumsplätze finanziert werden, eine individuelle Förderung der Auszubildenden gewährleistet ist, die Praxisanleitung in den Einrichtungen nachhaltig gestärkt wird und geeignete Weiterbildungen passgenau angeboten werden.“

Die Qualität der Pflege in Bayern beurteilt Meyer als stabil und sehr gut. Die Träger arbeiteten mit ihren Einrichtungen engagiert daran, neben gesetzlichen Anforderungen auch die aktuellen fachlichen Qualitätsanforderungen durch gezielte Maßnahmen der Personal- und Organisationsentwicklung zu erfüllen. „Pflege bleibt aber auch in Zukunft ein intensiver kommunikativer und gleichzeitig auch nonverbaler Prozess, der durch technische Hilfsmittel lediglich erleichtert, keinesfalls aber ersetzt werden kann“, hält Meyer fest. Eine Pflegeplatzgarantie sieht sie kritisch: Solange es nicht ausreichend Fachkräfte gebe, machten garantierte Pflegeplätze keinen Sinn.“

„Eine deutliche Verbesserung im Bereich der Pflege kann erst dann erfolgen, wenn all die vorgenannten Forderungen von den politisch Verantwortlichen und allen Akteuren in der Pflege aufgegriffen und zeitnah praktisch umgesetzt werden“, resümiert Meyer. „Wir müssen alle Verantwortung übernehmen. Die Freie Wohlfahrtspflege Bayern wird sich auch weiterhin mit ihren Einrichtungen aktiv an diesem Prozess beteiligen und ihre Expertise einbringen.“

 

Die in der Freien Wohlfahrtspflege Bayern zusammengeschlossenen Verbände sind die Arbeiterwohlfahrt, das Bayerische Rote Kreuz, die Caritas, das Diakonische Werk Bayern, der Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden und der Paritätische Wohlfahrtsverband. In Bayern unterhalten die Wohlfahrtsverbände und ihre angeschlossenen Organisationen rund 14.500 Facheinrichtungen und Projekte im gesamten sozialen Bereich. Sie beschäftigen etwa 190.000 hauptberufliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zusätzlich engagieren sich im Raum der Freien Wohlfahrtspflege Bayern etwa 250.000 Menschen ehrenamtlich – zum Beispiel in Verbandseinrichtungen oder Kirchengemeinden.