Cannabisgesetz: Entstigmatisierung ermöglicht Beratung und Hilfe

Seit 1. April 2024 regelt das Cannabisgesetz (CanG) straffreie Besitzmengen, den privaten Eigenanbau und ab 1. Juli den gemeinschaftlichen nicht-gewerblichen Eigenanbau in sogenannten Anbauvereinigungen. Für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren besteht weiterhin ein generelles Verbot. Im Kontext der neuen rechtlichen Rahmenbedingungen passt die Suchthilfe der Freien Wohlfahrtspflege Bayern die bestehenden Präventions-, Beratungs- und Behandlungsangebote der neuen Situation an, fordert jedoch auch eine Weiterentwicklung der Prävention und des Jugendschutzes und eine Ausweitung der gesellschaftlichen Debatte.

München, den 15.04.2024 ­– Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege Bayern, als Träger von 110 bayerischen Suchtberatungsstellen und weiteren Einrichtungen der Suchthilfe, stehen grundsätzlich für Konsumreduktion, Minimierung der gesundheitlichen Risiken und die Unterstützung der Menschen mit problematischem Konsum.

„Wir sind überzeugt: Kriminalisierung und Stigmatisierung des Konsums führen auch dazu, dass sich betroffene Menschen nicht an Beratungsstellen wenden und dadurch wichtige Hilfe und Beratung nicht in Anspruch nehmen“, so die Vorsitzende der Freien Wohlfahrtspflege Bayern und Vizepräsidentin des Bayerischen Roten Kreuzes, Brigitte Meyer. „Die Zugangsbarrieren zu Hilfsangeboten werden durch die Entkriminalisierung abnehmen – das ist ein sehr guter Effekt der Legalisierung, den wir ausdrücklich begrüßen.“

Handlungsbedarf sehen die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege in der Stärkung des Gesundheitsschutzes. Besondere Bedeutung wird dabei folgenden Punkten beigemessen:

  • Prävention und Jugendschutz zielgerecht weiterentwickeln  Mit der im Cannabisgesetz formulierten Pflicht der Kommunen junge Menschen frühzeitig mit Unterstützungsmaßnahmen zu erreichen, erhofft sich die Freie Wohlfahrtspflege einen neuen Impuls zur Klärung der Finanzierung von Jugendsuchtberatungsstellen in der Fläche. Zudem setzt sie sich dafür ein, den bisher stark auf den schulischen Bereich begrenzten Fokus in der Prävention auf andere Lebenswelten junger Menschen, wie den Freizeitbereich zu erweitern. Auch im Erwachsenenbereich ist verstärkte Aufklärung und Prävention notwendig.
  • Problematischen Konsum frühzeitig erkennenFür die Anbauvereinigungen besteht eine Benennungs- und Schulungspflicht von Präventionsbeauftragten, durch die ein problematischer Konsum frühzeitig erkannt und entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden sollen. Die bayerischen Suchtberatungen stehen mit Ihrer jahrzehntelangen Fachexpertise bereit für die im Gesetz fokussierte Kooperation mit den Vereinigungen.
  • Steigende Inanspruchnahme der Suchtberatung
    Infolge der Entstigmatisierung und Entkriminalisierung werden sich Betroffene oder Angehörige, die Probleme mit Cannabis thematisieren, bearbeiten und bewältigen wollen, häufiger an Beratungsstellen wenden und bedarfsgerechte Hilfe in Anspruch nehmen. Dies ist eine Entwicklung, die aus Sicht der Suchthilfe positiv zu bewerten ist. Daher rät die Freie Wohlfahrtspflege Bayern, möglicherweise „steigende Beratungszahlen“ nicht als Beleg für eine Fehlentwicklung zu deuten. 
  • Gesellschaftliche Debatte über Suchthilfe anhaltend weiterführen und auf kontextuelle Themen ausweiten
    Es braucht eine Priorisierung gesundheitlicher und schadensminimierender Strategien mit entsprechenden innovativen Projekten, auch für andere legale und illegale Suchtmittel. Das etablierte und bewährte Beratungs- und Behandlungsnetzwerk bildet hierfür eine hervorragende Basis.

Die Vorsitzende der Freien Wohlfahrtspflege Bayern und Vizepräsidentin des Bayerischen Roten Kreuzes, Brigitte Meyer, mahnt: „Es ist wichtig, dass nun auch finanzielle und strukturelle Rahmenbedingungen für Prävention und Suchthilfe verbessert werden. Denn es wäre ein Fehler, sich politisch zu stark auf ordnungsrechtliche Maßnahmen zu fokussieren. Zur Zielverfolgung des Cannabisgesetzes, dem Gesundheits- und Jugendschutz, geht die Freie Wohlfahrtspflege Bayern in einen Dialogprozess auf allen sozialpolitischen und gesellschaftlichen Ebenen. Meyer ist überzeugt: „Es geht perspektivisch um einen gesamtgesellschaftlich verantwortungsvollen Umgang mit Cannabis.“

 

In der Freien Wohlfahrtspflege Bayern sind das Bayerische Rotes Kreuz, die Arbeiterwohlfahrt, der Landes-Caritasverband Bayern, die Diakonie Bayern, der Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern und der Paritätische Wohlfahrtsverband Bayern organisiert.

Die Koordinierungsstelle der Bayerischen Suchthilfe (KBS) ist ein Projekt der Freien Wohlfahrtspflege Bayern. In der KBS sind die in der Suchthilfe tätigen Verbände der Freien Wohlfahrtspflege vertreten und leisten einen wichtigen Beitrag zur Förderung und Entwicklung der Suchthilfe in Bayern. Die KBS bietet Hilfe und Unterstützung bei suchtspezifischen Fragen, führt bayernweite verbandsübergreifende Fachtagungen, Fortbildungen und Arbeitskreise durch und ist Impulsgeber für aktuelle Suchtthemen. Die Geschäftsstelle der KBS wird von der Freien Wohlfahrtspflege Bayern und vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege finanziert.

Gemeinsam erbringen die Verbände mit über 455.000 hauptamtlichen und rund 136.500 ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen rund 75 Prozent aller sozialen Dienstleistungen in Bayern. Rund sechs Prozent aller Beschäftigten im Freistaat, davon allein rund 95.000 in Pflegeheimen und weitere ca. 86.000 in Kindertagesstätten, arbeiten in der Sozialwirtschaft. Als Verband unterstützt die Freie Wohlfahrtspflege Bayern ihre Mitglieder durch Koordination und Absprachen bei der Realisierung von Zielen, mit denen sie ihren Beitrag dazu leisten, Bayern sozial zu gestalten.