Freie Wohlfahrtspflege Bayern: „Sozialpolitik muss zentrales Handlungsfeld kommender Bundesregierung sein“

München, 13. Februar 2025 – Sozialpolitik muss ein zentrales Handlungsfeld der kommenden Bundesregierung sein. Anlässlich des turnusmäßigen Wechsels an der Spitze der Freien Wohlfahrtspflege Bayern fordert deren Vorsitzender, Pfarrer Dr. Andreas Magg, die vielfältigen Probleme im Land ernsthaft anzugehen: „Der derzeit geführte Wahlkampf zielt vor allem auf Ängste der Menschen und weniger auf die Lösung tatsächlicher Probleme. Natürlich bestehen in der Bevölkerung Ängste und Sorgen in Bezug auf Migration, die durch so schreckliche Taten wie in Aschaffenburg noch verstärkt werden. Wir sehen in diesem Bereich allerdings kein Regelungsdefizit, sondern eher ein Vollzugsdefizit. Durch bessere Vernetzung der zuständigen Behörden, schnellere Verfahren, dezentralere Unterbringung und eine Verbesserung der psychosozialen Begleitung traumatisierter Menschen mit Fluchterfahrung wäre viel gewonnen.“ Magg kritisiert insbesondere, dass durch die Debatte um Flucht und Migration alle anderen Themen in den Hintergrund treten: „Wenn Menschen keinen bezahlbaren Wohnraum finden, für die Betreuung der Kinder keine Plätze zur Verfügung stehen, wenn sie drei Monate auf einen Facharzttermin warten müssen oder sie sich Sorgen um ihren Arbeitsplatz machen müssen, haben Populisten leichtes Spiel. Deswegen halten wir es für notwendig, dass die kommende Bundesregierung diese Probleme schnell und effizient angeht.“

Die scheidende Vorsitzende, Brigitte Meyer vom Bayerischen Roten Kreuz, identifiziert viele drängende Handlungsfelder und greift die Pflege exemplarisch heraus: „Alt werden und Pflegebedürftigkeit dürfen keine Armutsfalle sein. Wenn die Ersparnisse für die eigene Pflege aufgebraucht sind, bleibt die Angst vor dem Nichts. Es ist Aufgabe des Sozialstaates, hier Abhilfe zu leisten und pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen zu entlasten. Wir brauchen eine Pflegeversicherung, die pflegerische Leistungen bedarfsgerecht abdeckt. Steigende Lohnkosten, eine hohe Inflation der vergangenen Jahre und steigende Baukosten treiben die Preise. Hier bedarf es dringend zusätzlicher Entlastungen, beispielsweise über eine Anpassung des Zuschusses der Pflegekasse, der Übernahme von Investitionskosten durch den Freistaat und der Unterstützung innovativer Konzepte beim Personaleinsatz.“

Sorgen bereitet der Freien Wohlfahrtspflege auch die Eingliederungshilfe. „Das Bundesteilhabegesetz war ein wichtiger Schritt hin zu mehr Teilhabe und Inklusion,“ betont Dr. Magg. „Aufgrund der finanziellen Situation der Bezirke, die wegen der rückläufigen Gewerbesteuereinnahmen in den Städten und Gemeinden alles andere als rosig ist, droht hier nun eine Rolle rückwärts und zahlreiche Errungenschaften könnten zurückgedreht werden. Wir haben im Sinne der Menschen mit Behinderung ein hohes Interesse daran, dass die Angebote und Infrastruktur weiterhin gesichert sind. Natürlich ist legitim, dass deshalb im größten Posten der Bezirkshaushalte, der Behindertenhilfe, nun Kürzungen vorgenommen werden sollen. Allerdings verwehren wir uns dagegen, dass Teilhabe und Inklusion nur nach Kassenlage finanziert werden. Stattdessen sollten wir nun gemeinsam mit den Bezirken die Chance ergreifen, bestehende Verfahren zu überprüfen und zu vereinfachen. Nur einseitig bei den Leistungen für Menschen mit Behinderung zu sparen und gleichzeitig die Verwaltung konstant zu halten oder gar auszubauen, halten wir für den falschen Weg.“

Zum Abschluss appellieren Dr. Magg und Meyer an die demokratischen Kräfte im Land: „Politik und Demokratie leben vom Austausch und auch Streit. Allerdings macht immer der Ton die Musik – und hier haben wir große Sorge. Wir sollten uns davor hüten, eine Gruppe gegen die andere auszuspielen. Dabei verlieren immer beide Seiten. Notwendig ist ein ernsthaftes Ringen um Kompromisse, zu denen alle stehen können und Vereinbarungen, die tragen. Ansonsten haben Populisten leichtes Spiel – und das Potential, unsere Demokratie und das friedliche Zusammenleben in diesem Land ernsthaft zu gefährden.“

Die in der Freien Wohlfahrtspflege Bayern zusammengeschlossenen Verbände sind die Arbeiterwohlfahrt, das Bayerische Rote Kreuz, die Caritas, das Diakonische Werk Bayern, der Lan-desverband Israelitischer Kultusgemeinden und der Paritätische Wohlfahrtsverband. In Bayern unterhalten die Wohlfahrtsverbände und ihre angeschlossenen Organisationen rund 14.500 Facheinrichtungen und Projekte im gesamten sozialen Bereich. Sie beschäftigen etwa 410.000 hauptberufliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zusätzlich engagieren sich in der Freien Wohlfahrtspflege Bayern und ihrem Umfeld etwa 137.000 Menschen ehrenamtlich.