Aktionswoche #OhneFachkräfteKeineTeilhabe

Vertretungen der Freien Wohlfahrtspflege und Lebenshilfe im Gespräch mit Doris Rauscher, MdL

München, 4. April 2025 - #OhneFachkräfteKeineTeilhabe – unter diesem Slogan beteiligt sich die Freie Wohlfahrtspflege Bayern mit ihren Mitgliedsverbänden an einer bundesweiten Aktionswoche, in der auf die Ausbildungs- und Einsatzmöglichkeiten hingewiesen wird, die das breite Feld der Inklusion und Teilhabe von Menschen mit Behinderung bietet. Um die politischen Rahmenbedingungen zu diskutieren, empfing Doris Rauscher, MdL, sozialpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion und Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Soziales, Jugend und Familie des Bayerischen Landtags eine Delegation der Freien Wohlfahrtspflege Bayers und des Lebenshilfe-Landesverbands Bayern unter der Führung des Vorsitzenden, Pfarrer Dr. Andreas Magg, gemeinsam mit Vertretern der Landesarbeitsgemeinschaft der Fachschulen für Heilerziehungspflege und dem Berufsverband Heilerziehungspflege, Landesverband Bayern.

Einig waren sich die Gesprächspartner, dass zwar die Heilerziehungspflege die wichtigste fachliche Säule in der Arbeit mit Menschen mit Behinderung ist und eine breit angelegte Ausbildung mit vielfältigen Einsatzmöglichkeiten bietet. Allerdings beklagten die Teilnehmenden auch, dass die Heilerziehungspflege im Vergleich zu Pflegeberufen und der Ausbildungen für die Tätigkeit in Kindertagesstätten vergleichsweise unbekannt sei. Zwar werde das Berufsbild derzeit wieder bekannter, wie Stefanie Kalla von der Arbeiterwohlfahrt betonte: „Mit den Inklusionsbemühungen kommt nicht nur der Mensch mit Behinderung langsam zurück in die Mitte der Gesellschaft, sondern auch das Bewusstsein, dass für eine gelingende Teilhabe von Menschen mit Behinderung Fachkräfte nötig seien.“ Aber es bräuchte noch viel mehr Menschen, die diesen spannenden Beruf ergreifen. Die vom Landtag beschlossene Imagekampagne könne dafür einen wichtigen Beitrag leisten.

Der Schulversuch Heilerziehungspflege, der im vergangenen Herbst gestartet ist und an dem im aktuellen Schuljahr rund ein Viertel, im nächsten Schuljahr mehr als die Hälfte der beruflichen Schulen für Heilerziehungspflege in Bayern teilnehmen, ist eine wichtige Weichenstellung zur Steigerung der Attraktivität des Berufsbildes, beispielsweise durch die Verkürzung der Ausbildung bei gleichbleibendem Qualifikationsniveau. „Dass dies gelungen ist, ist ein großer Erfolg“, so Marco Schleicher von der Landesarbeitsgemeinschaft der Heilerziehungspflegeschulen. „Allerdings fehlt uns noch ein breites Angebot in der Fläche. Wir müssen es schaffen, dass die Schulen, und wenn es nur einzelne Klassen sind, dorthin kommen, wo die Auszubildenden sind, sodass weite Fahrtwege wegfallen und die Attraktivität der Ausbildung steigt. Hier steht uns allerdings die aktuelle Gesetzeslage im Weg, denn solche Außenklassen werden rechtlich wie eine Schulneugründung behandelt, die sehr teuer, kompliziert und langwierig ist, auch wenn das Lehrpersonal und die Verwaltung an einer der etablierten Schulen angehängt ist.“ Staatliche Schulen, von denen es lediglich zwei in Bayern gibt, unterliegen nicht dieser Beschränkung. Die restlichen 40 Schulen sind staatlich anerkannt, befinden sich aber in privater Trägerschaft v.a. der großen Einrichtungen. „Hier lägen große Chancen in einer Angleichung, um dem Fachkräftemangel unkompliziert zu begegnen,“ so Dr. Andreas Magg. 

Eine weitere Baustelle, in der sich die Verbände Unterstützung von der Politik erhoffen, ist die Integration ausländischer Fachkräfte und die Gewinnung von Auszubildenden aus dem Ausland. Zwar gebe es bereits entsprechende Bemühungen eine sog. Fast-Lane für Mangelberufe einzurichten. Allerdings sei die Heilerziehungspflege ein Berufsbild, welches vorwiegend im deutschsprachigen Raum anzutreffen ist und das im übrigen Ausland wenig Entsprechung hat. „Junge Ausländer für die Ausbildung zu gewinnen ist sehr schwierig. Denn um eine Ausbildung in der Heilerziehungspflege zu machen, ist ein praktisches Vorbereitungsjahr verpflichtend. Das allerdings ist nicht visumsfähig, sodass die Leute ohne diese Voraussetzung nicht einreisen dürfen,“ so Herbert Borucker vom Landes-Caritasverband.

Der Mangel an Fachkräften und anderem Personal trifft auch die Einrichtungen der Behindertenhilfe. Doris Rauscher teilte die Einschätzung, dass dieses Problem auch durch die Konkurrenz der verschiedenen Bereiche untereinander verstärkt werde: „Heilerziehungspflegende sind in KITAs wertvolle Mitarbeitende, weil so auch Kinder mit Unterstützungsbedarf in einem Regelkindergarten gut integriert werden können. Dass diese Fachkräfte dann in der Behindertenhilfe fehlen, ist klar.“ Dr. Magg plädierte deswegen dafür, die unterschiedlichen Bereiche in der Jugendhilfe, in der Sozialpsychiatrie, in den Kindertageseinrichtungen und in der Behindertenhilfe wechselseitig für die jeweiligen Berufsbilder zu öffnen: „Das entspricht auch modernen Berufsbiografien, in denen sich Menschen von Zeit zu Zeit neue Aufgaben suchen.“

In der Freien Wohlfahrtspflege Bayern sind das Bayerisches Rotes Kreuz, die Arbeiterwohlfahrt, der Landes-Caritasverband Bayern, die Diakonie Bayern, der Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern und der Paritätische Wohlfahrtsverband Bayern organisiert. Gemeinsam er-bringen die Verbände rund 75% aller sozialen Dienstleistungen in Bayern. Als Verband unterstützt die Freie Wohlfahrtspflege Bayern ihre Mitglieder durch Koordination und Absprachen bei der Realisierung von Zielen, mit denen sie ihren Beitrag dazu leisten, Bayern sozial zu gestalten.