Um zu vermeiden, dass sich bereits bestehende Problemlagen weiter verschärfen oder neue hin-zukommen, müssen Entscheidungsträger auf allen politischen Ebenen die Umsetzung ausreichender familienunterstützender und -entlastender Maßnahmen mit hoher Priorität voranbringen, unter Pandemiebedingungen ausreichend sicher gestalten und auch die Auswirkungen auf die Geschlechtergerechtigkeit im Blick haben, um eine Retraditionalisierung zu verhindern.
Die Fachleute der Verbände mahnen an, dass Familien Perspektiven brauchen, um die Auswirkungen des Lockdowns bewältigen zu können. Handlungsbedarf sehen sie insbesondere in drei Bereichen:
Beratung
Beratungsstrukturen oder Angebote müssen so eingerichtet werden, dass sie auch in Zeiten der Pandemie und mit verschärften Hygienestandards bedarfsgerecht zu Verfügung stehen, damit Familien fachlich begleitete und verlässliche Anlaufstellen haben, um ihre Problemlagen zu besprechen oder auch eine Entlastung für die Kinder zu schaffen. Insbesondere Räumlichkeiten für Kleinstgruppen seien dringend nötig. Neben der Bereitstellung ausreichender Sozialräume sowie niedrigschwelliger (digitaler) Anlauf- und Kontaktstellen müssen unter Wahrung des Infektionsschutzes auch Hausbesuche zur individuellen Unterstützung der Kinder oder der Familie ermöglicht werden. Behörden und Ämter sowie Beratungsstellen müssen trotz Arbeiten im Homeoffice aufsuchend tätig bleiben oder werden. Denn: Jede verfügbare familienbezogene Infrastruktur stärkt und unterstützt Familien und deren Kinder und Jugendliche und trägt dazu bei, dass die Vorgaben des Lockdowns besser durchgehalten werden können.
Kindgerechte Ausgestaltung der Einrichtungen
Alternative Konzepte für familienunterstützende Einrichtungen müssen (weiter)entwickelt werden und gegebenenfalls den neuen Rahmenbedingungen Rechnung tragen. Die Angebote müssen die im Lockdown entstandenen Bedürfnisse und ggf. veränderten Bedarfe der Familien vor-rangig berücksichtigen. In Schulen sei nicht nur der Unterricht sondern insbesondere auch die Notbetreuung und die Nachmittagsbetreuung sichergestellt ist und dass auch die Kinder, die sich in der Notbetreuung befinden, am virtuellen Unterricht ihrer Klasse teilnehmen können. Ebenso braucht es einen Ausgleich zum kostenlosen Mittagessen. Bei Distanzunterricht muss ein möglichst umfangreicher Kontakt zur Lehrkraft erhalten werden, insbesondere bei sehr jungen Schüler*innen, damit Kinder nicht – wie bereits bekannt wurde - „verloren gehen“.
Unterstützung durch Arbeitgeber und Politik
Arbeitgeber müssen sich ihrer Verantwortung für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellen und mehr als bisher großzügige und unbürokratische Lösungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf vorhalten. Eine Benachteiligung von Müttern ist dabei zu vermeiden. Pflegende Angehörige sind dabei genauso zu behandeln wie Eltern mit Kindern. Mehr Lockdowntage brauchen mehr Krankentage auch für Familien mit pflegebedürftigen Angehörigen, um z. B. coronabedingte Schließungen von Tagespflegeeinrichtungen abdecken zu können.
Bei zukünftigen Entscheidungen fordern die Fachleute der Verbände eine bessere Einbindung der Praxis vor Ort. Dazu sollen bei der Suche nach adäquaten Lösungen Expert*innen für Familien aus der Freien Wohlfahrtspflege und Praktikerinnen z.B. aus den Familienbildungsstätten und Mütter- und Familienzentren einbezogen werden, um die Vielfalt der familiären Lebenswirklichkeiten abzubilden und bestmöglich darauf reagieren zu können.