Bezahlkarten für Geflüchtete wirken diskriminierend und integrationsfeindlich. Freie Wohlfahrtspflege Bayern zur Innenminister*innenkonferenz

Nürnberg/München, 06.12.2023. Die Freie Wohlfahrtspflege Bayern nimmt die heute beginnende Innenminister*innenkonferenz in Berlin zum Anlass, an das im Grundgesetz verankerte Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum zu erinnern, das auch für Asylsuchende gilt. Demnach sollten jedem Menschen Barmittel zur Verfügung stehen, die dem soziokulturellen Existenzminimum entsprechen – aktuell ein Betrag von ca. 130,- Euro. Dem widersprechend haben sich die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder allerdings auf die bundesweit einheitliche Einführung einer Bezahlkarte für den Bezug von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz geeinigt. In der Umsetzung an erster Stelle: Der Freistaat Bayern.

Bereits im Frühjahr 2024 will Bayern eine solche Bezahlkarte für Asylsuchende einführen und als erstes Bundesland so Bargeldleistungen für Asylbewerber*innen weitestgehend einstellen. Ziel soll es sein, Zuzugsanreize zu verringern und die Finanzierung der Schlepperkriminalität zu bekämpfen. Leistungsberechtige nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sollen laut Bayerischer Staatsregierung zukünftig keine Überweisungen oder Online-Käufe mehr tätigen können. Außerdem sollen der Einsatzbereich der Bezahlkarte geografisch und Barabhebungen auf das rechtlich gebotene Minimum beschränkt werden.

Die Freie Wohlfahrtspflege Bayern äußert angesichts der Pläne der bayerischen Staatsregierung große Bedenken: „Mit der Einführung von Bezahlkarten wird ein völlig falscher Weg beschritten. Es werden keine Probleme damit gelöst. Im Gegenteil. Die diskriminierende und integrationsfeindliche Wirkung dieser Maßnahme schafft zusätzliche Probleme“, so die Vorsitzende der Freien Wohlfahrtspflege Bayern, Diakoniepräsidentin Dr. Sabine Weingärtner.

Bestätigt sieht sie sich durch aktuelle Studienergebnisse und Erkenntnisse aus der Migrationsforschung. „Sie weisen eindeutig darauf hin, dass Sozialleistungen – wenn überhaupt – einen marginalen Anziehungseffekt haben.“ Abgesehen von den Kosten und dem enormen bürokratischen Aufwand für die Behörden wären vor allem die Folgen für die Betroffenen fatal. Die Einführung einer Bezahlkarte dürfte dazu führen, dass beispielsweise die Eröffnung von Bankkonten, der Einkauf in Second-Hand-Läden oder im Gemüseladen nebenan kaum noch möglich wären. Auch in der Schule werden Kinder in der Regel aufgefordert, z.B. für Ausflüge oder Materialgeld bar zu bezahlen.

Letztendlich würden Integration und Teilhabe von Anfang an de facto verhindert. Weingärtner: „Wenn etwa dreiviertel der Asylbewerber*innen, deren Fluchtgründe inhaltlich geprüft werden, in Deutschland einen Schutzstatus erhalten, wird deutlich, dass Menschen nicht wegen der Sozialleistungen nach Deutschland kommen, sondern um hier Schutz zu suchen.“  Mit der Abschaffung von Bargeldleistungen würde darum nach Ansicht der Freien Wohlfahrtspflege Bayern nicht nur eine wegweisende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ignoriert, das 2012 klarstellte, dass ‚die in Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz garantierte Menschenwürde migrationspolitisch nicht zu relativieren [ist]. „Die Integration Geflüchteter wird zudem unnötig erschwert und das gesellschaftliche Klima durch fragwürdige Argumente zusätzlich belastet.“

 

In der Freien Wohlfahrtspflege Bayern sind das Bayerische Rotes Kreuz, die Arbeiterwohlfahrt, der Landes-Caritasverband Bayern, die Diakonie Bayern, der Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern und der Paritätische Wohlfahrtsverband Bayern organisiert.

Gemeinsam erbringen die Verbände mit über 455.000 hauptamtlichen und rund 136.500 ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen rund 75 Prozent aller sozialen Dienstleistungen in Bayern. Rund sechs Prozent aller Beschäftigten im Freistaat arbeiten in der Sozialwirtschaft. Als Verband unterstützt die Freie Wohlfahrtspflege Bayern ihre Mitglieder durch Koordination und Absprachen bei der Realisierung von Zielen, mit denen sie ihren Beitrag dazu leisten, Bayern sozial zu gestalten.

Laut Auswertung der Controlling-Zahlen aus der Flüchtlings- und Integrationsberatung durch das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration wurden in der zweiten Jahreshälfte 2022 89.052 Klient*innen beraten und 89.112 Personen mitberaten bei 649,7 Stellenanteilen in der Beratung, davon 522,61 von der Freien Wohlfahrtspflege Bayern.